Blog

Allerseelen

ALLERSEELEN

Heute ist natürlich nicht Allerseelen, aber die Ereignisse der letzten Tage mussten erst mal verarbeitet werden. Am Allerseelen-Tag, Montag 2. November 2020, geschah etwas womit ich nicht wirklich gerechnet hätte:

Gegen 20:00 Uhr abends fand im 1. Bezirk in Wien ein Terrorakt statt, der insgesamt 5 Todesopfer – darunter der 20-jährige Terrorist – und über 20 Verletzte forderte. Der Anschlag ereignete sich in einem „Grätzl“, in dem auch ich in jungen Jahren nachts gerne unterwegs war. 

Ich bin so enthusiastisch in dieses Jahr 2020 gegangen. Dieses Jahr wollte ich voll durchstarten und habe meine Leidenschaft, das Nähen, zum Beruf gemacht. 

Am 7. Jänner 2020 gründete ich also mein Einpersonen-Unternehmen. Ende Februar stand ich dann das erste Mal auf dem Wochenmarkt in Bruck an der Leitha. Ich hatte natürlich zuvor schon gepostet, dass ich meine Produkte dort präsentieren werde und war zugleich aufgeregt, erwartungsvoll und dankbar.

Dankbar vor allem, dass ich den Mut hatte diesen Schritt zu wagen, denn ich kam ja beruflich aus einer ganz anderen Ecke. Dankbar aber auch, dass so viele Freunde und Bekannte gekommen waren um mich zu unterstützen.

Tja, und 2 Wochen später war es mit der Marktteilnahme dann schon wieder vorbei.

Ein Virus hatte meine Pläne teilweise auf Eis gelegt. Ab 16. März begann ein mehrwöchiger Lockdown, und 2 Wochen später folgte die Maskenpflicht. Ich war ca. 5 Wochen lang 7 Tage die Woche bis zu 15 Stunden pro Tag damit beschäftigt Masken zu nähen. Was für ein Glück!

Ab Mai war es mir dann wieder möglich am Brucker Wochenmarkt teilzunehmen und meine Produkte wurden erneut recht gut angenommen. Im Sommer hatte ich das Glück an 3 mehrtägigen Handwerksmärkten in Mörbisch, Rust und Podersdorf (alle im Burgenland) teilzunehmen.

Das war nochmal eine Herausforderung da ich diesbezüglich noch gar keine Erfahrung hatte. 

Natürlich war der Erfolg dieser Märkte durch die Pandemie stark beeinträchtigt, aber ich war in erster Linie froh darüber viele Erfahrungen sammeln zu können.

Zwischenzeitlich wurde mal mehr, mal weniger intensiv an meiner Website mit Shop gearbeitet und ich kann Euch sagen, ich habe superviel dazugelernt und es ist wahnsinnig viel Arbeit so etwas aufzubauen. 

Dazu noch mehr in den nächsten Tagen.

Anfang September wollte ich mich dann auf die Produktion meiner Produkte für die Herbst- und Weihnachtszeit konzentrieren. Ich hatte geplant an der Gans Burgenland Rust, und am Weihnachtsmarkt in Rust teilzunehmen, und hatte auch das Angebot von Karina-Verlag bekommen meine Produkte an deren Stand auf der Buch Wien zu präsentieren. 

Das hat mich sehr geehrt, denn ich hätte mir nicht träumen lassen so ein Angebot zu erhalten. Nun, auch diesmal vielen die Veranstaltungen der Pandemie zum Opfer.

Bin ich deswegen verzweifelt? Nein, es gibt Schlimmeres im Leben.

Ich habe mich die letzten Wochen ganz intensiv mit meiner Homepage und dem zugehörigen Shop beschäftigt. Ich habe getextet, fotografiert, gelernt, wo was eingegeben werden muss, um es am richtigen Platz zu haben, Designentscheidungen getroffen und somit auf den großen Moment hingearbeitet, um endlich online gehen zu können.

Und dann kam der 2. November 2020.

Wir bereiteten uns auf einen neuen Lockdown (diesmal „light“) vor, der in der Nacht zum 3. November in Kraft treten sollte. Ich bekam eine Nachricht meiner Freundin Heather aus Singapur, die mich fragte, ob alles in Ordnung sei bei uns, bei den Geschehnissen in Wien.

Zuerst war ich verwundert, da ich mir dachte, was denn so Besonderes am Lockdown „light“ sein sollte, dass sie mir eine Nachricht schickt.

Ja, und da habe ich mal gegoogelt, ob ihre Nachfrage mit etwas anderem zu tun haben könnte. Dem war dann auch so. Schießerei in Wien! Vermutlich Terroranschlag!

Es war schwer zu fassen, dass das Alles nur knapp mehr als 50 km von hier stattfindet. Es ist nicht so, dass ich nicht schon an Terrorschauplätzen gewesen wäre.

Mitte der 80er besuchte ich mit knapp 17 Jahren besagte Freundin Heather in ihrem Heimatland Nordirland. Meine erste Flugreise, ganz alleine, eine fremde Sprache, Bürgerkriegsgebiet…..

Drei Wochen habe ich mich dort aufgehalten. Heather und ihre Eltern, Jim und Ella, reisten mit mir durch Nordirland und Donegal in Irland. Ich habe viele wunderschöne Orte gesehen, und auch die Schattenseiten des Bürgerkriegs kennengelernt.

Oder auch in Marrakesch in Marokko bin ich immer wieder am Djemaa el Fna gewesen, wo in einem kleinen Hotel-Restaurant eine Bombe explodiert war.

Trotzdem, wie schon gesagt, dieses Mal war das Ganze nur 45 Autominuten entfernt.

Mit Allerheiligen und Allerseelen beginnt eine Zeit, in der einige Geburts- und Festtage einhergehen, an denen eine Person unendlich fehlt.

Meine Mama.

Ohne meine Mama wäre ich nie an diesen Punkt gekommen, an dem ich heute stehe.

Leider ist meine Mama vor mittlerweile knapp über 7 Jahren ganz plötzlich, innerhalb von 3 Tagen nach der Diagnose Blutvergiftung, verstorben. Auch hier waren wir völlig vor den Kopf gestoßen, und hätten niemals damit gerechnet.

In diesen 7 Jahren habe ich einige geliebte und wichtige Menschen auf die eine oder andere Art verloren. Aber ich habe gelernt, dass, egal welche, augenscheinlich negativen, Ereignisse eintreten, auch etwas Positives daran zu finden ist.

Vor allem ist es wichtig, sich selbst nie aus den Augen zu verlieren, fokussiert zu bleiben, dankbar zu sein, nichts als selbstverständlich anzunehmen, für seine Träume zu kämpfen, keine Angst vor Entscheidungen zu haben, ehrlich mit sich selbst und seiner Umwelt zu sein, bewusst zu leben und nicht darauf zu hören, dass Träume ja nur Schäume sind, mit Freude bei der Sache zu sein, sich nicht verunsichern zu lassen.

Genau aus diesen Gründen mache ich weiter. Auch wenn dieses Jahr ganz, ganz anders  und viel beschwerlicher verlaufen ist, als ich mir das hätte vorstellen können.